Der Alltag pendelt sich ein...

 

Es tut mir leid, dass ihr so lange auf ein Lebenszeichen von mir warten musstet.

Meinen ursprünglichen Plan, jede Woche im Blog zu schreiben, habe ich sehr schnell über den Haufen geworfen. Seitdem sich der Alltag eingependelt hat, bleibt nicht mehr so viel Freizeit, wie ursprünglich gedacht. Trotzdem bin ich sehr froh, dass ich mich hier so gut eingelebt habe, mich wohl fühle und in mein Projekt optimal eingebunden bin.

 

Wie bereits in meinem letzten Bericht erwähnt, hat Finja Berlin leider verlassen. Mit der Folge, dass ich den Sportunterricht und die Nachmittagsprojekte an meiner Schule größtenteils alleine gestalten muss. Anfangs hat mich die Situation sehr gestresst, da es wirklich sehr schwierig ist, den Sportunterricht mit 70 Kindern durchzuführen, die nur gebrochenes Englisch sprechen. Nach einigen Absprachen mit unserem Projektmanager und mit dem Schulleiter haben wir uns darauf geeinigt, nur die Jungs oder nur die Mädels mit auf den Sportplatz zu nehmen, damit ich selbst den Überblick behalten kann. Wie man sich vorstellen kann, läuft der Unterricht manchmal sehr gut aber auch ab und zu nicht wie gewünscht ab. Nach einigen Völkerballeinheiten, glaube ich, hat mittlerweile auch das letzte Kind das Spiel verstanden. Meistens versteht ein Schüler Englisch und übersetzt es für die Anderen. Zudem ist es immer hilfreich, alles zu zeigen und die Übungen den Schülern vor zu machen. Eine Woche nach den Ferien hab ich mich dann auch dazu entschlossen, ein Tennis-Projekt an der Berlin Primary School zusammen mit Frieda zu starten. Da es sich hierbei um eine ehemalige Privatschule handelt, verfügt diese auch über zwei Tennisplätze in verhältnismäßig gutem Zustand. Bereits bei dem ersten angesetzten Training standen ca. 40 Schüler in verschiedenstem Alter auf der Matte! Mit einem so hohen Andrang hatte ich wirklich nicht gerechnet. Das hat mich zwar total gefreut, gleichzeitig aber auch vor große Herausforderungen gestellt... Während Frieda mit den Jüngeren ein paar Schläger/Ball Gewöhnungsübungen gemacht hat, habe ich versucht ein paar Bälle auf dem Tennisplatz zu spielen. Spätestens jetzt verstehe ich, warum normalerweise bei einem Tennistraining nur max. vier Leute gleichzeitig spielen. Nach den ersten Tennisstunden kamen dann meistens nur noch 15-20 Kindern, was die ganze Situation sehr vereinfacht hat. Da wir zwei mal wöchentlich Ultimate Frisbee und zwei mal Tennis unterrichten, bin ich unter der Woche sehr beschäftigt. Zudem habe ich einen Stundenplan bekommen und unterrichte jetzt Dienstags, Mittwochs und Donnerstags auch schon Vormittags. Der Stundenplan läuft nicht, wie man es aus Deutschland gewohnt ist, aber immerhin habe ich offizielle Arbeitszeiten. Dennoch nehme ich meistens nicht die Klassen, die der Stundenplan vorsieht, sondern eine Klasse, die gerade keinen Lehrer hat. An bestimmten Tagen kann ich aufgrund des Wetters (über 39°C oder Regen) leider keine Sportunterricht durchführen.

 

Am 20. Oktober startete dann unser erstes Zwischenseminar in Hogsback. Voller Freude alle Mitfreiwilligen wieder zu sehen, machten wir uns auf den Weg in das kleine Dorf in den Bergen. Doch dann wurde unsere Fahrt mal wieder durch eine Polizeikontrolle unterbrochen. Da es tatsächlich für mich als Fahrer meine erste Verkehrskontrolle war, fühlte ich mich ein bisschen nervös. Doch der Polizist hatte nach der Vorlage des Führerscheins nichts einzuwenden und ließ uns weiterfahren. Das Hobbiton, unsere Unterkunft, war eher eine spärlich eingerichtete Sammelunterkunft, die aber für unsere Zwecke völlig ausreichend war. Ich wurde öfter darauf angesprochen, dass die Unterkunft so aussieht wie bei der Bundeswehr und ich die Art von Unterbringung kennen müsste. Dazu muss ich sagen, dass sowohl Stube 2000 als auch alle anderen Stuben, die ich gesehen habe, wesentlich moderner eingerichtet waren. :D Die allgemeine Stimmung war sehr gut und jeder freute sich, dass das ASC Südafrika Team ein paar Tage zusammen verbringen konnte. Wir waren zwar alle erst ein paar Wochen in Südafrika, aber dennoch hatte jeder eine Menge zu erzählen. Deshalb berichtete jeder von seinen guten und schlechten Erfahrungen in der bisherigen Zeit und unserer Projektmanager gab uns noch ein paar Tipps, um der ein oder anderen schwierigen Situation in Zukunft aus dem Weg zu gehen. Für mich waren die schlechten Erfahrungen der Kreditkartenraub, die Bettwanzen und die Situation „Alleine in der Schule“. Allerdings lassen dich die süßen Kids aus Grade R (Klasse vor der eigentlichen Einschulung), die angestürmt kommen, sobald du in Sichtweite bist, diese Dinge schnell vergessen. Zu meinen positiven Erfahrungen zählt auch der Kontakt zu der Polizei in Berlin, die mir bezüglich meiner Kreditkartenerfahrung sofort sehr freundlich weitergeholfen hat und bei der mir der Chef noch seine Handynummer gegeben hat, falls ich mich mal in einer schwierigen Situation befinde.

Zudem merke mich, dass die Hemmungen Englisch zu sprechen täglich geringer werden.

 

In den folgenden Tagen unternahmen wir Wanderungen zu verschiedenen Wasserfällen, überwanden sowohl den Hoch- als auch den Tiefseilgarten und stellten Brett und den anderen Freiwilligen jeweils unsere Schule und die Nachmittagsprojekte vor. Obwohl jeder einen Freiwilligendienst im Schwerpunkt Sport an Schulen macht, sind die Projekte so unterschiedlich wie kaum vorstellbar. Anfangs war ich sehr skeptisch mit meiner Schule und dem Dienst in Berlin im Allgemeinen. Mittlerweile bin ich aber sehr glücklich mit meinem Projekt und möchte auf gar keinen Fall mit irgendwem tauschen! Die Kombination aus Preschool und Primary School ist einfach perfekt. Die drei Tage auf dem Seminar vergingen wie im Flug und der Alltag geht weiter.

 

Nachdem ich länger mit Lauritz über den Begriff „Alltag“ diskutiert habe, muss ich ihm Recht geben, dass man eigentlich auch nicht wirklich von Alltag sprechen kann. Jeder Tag ist komplett anders als der Tag davor und immer wieder wird man komplett überrascht. Nur als Beispiel, ich wollte einen Schlüssel für meinen kleinen Raum an der Schule, in dem ich meine Sportmaterialien verstaue, haben. Nach längeren Gesprächen mit Mr. Mnweba erzählte dieser mir, dass ich den Schlüssel im Baumarkt um die Ecke kaufen kann. - Den Schlüssel für die Schule in einem Baumarkt kaufen?? Kann mir jemand das Sicherheitssystem erklären??? Sollte ich in diesem Raum wirklich meine ganzen Sportutensilien lagern? Ich glaube nicht, dass jemand im Baumarkt wirklich wusste, dass ich an der Nkosinathi Primary School unterrichte oder vielleicht doch? Berlin ist schließlich nur ein kleines Dorf. Letztendlich weiß ich es nicht, aber ich war ganz schön erstaunt, wie ich den Schlüssel für umgerechnet 1,60€ erwerben konnte. Gerade solche Erfahrungen und Eindrücke machen den Freiwilligendienst unglaublich abwechslungsreich und interessant! Deshalb kann ich Allen, für die es in Frage kommt, nur empfehlen, bewerbt euch bis zum Ende des Jahres bei dem ASC Göttingen für ein unvergessliches Jahr! (kleine Werbung zwischendurch :D)

 

In der Zwischenzeit habe ich auch mein Volleyball-Projekt gestartet und bin damit jeden Tag von morgens ab 8.00 Uhr bis ca. 16.00Uhr beschäftigt und dann will man sich ja auch noch um seinen eigenen Sport kümmern. Sport unterrichten heißt nämlich tatsächlich nicht, dass man selbst in dieser Zeit zum Sport kommt. Unabhängig davon wird der Unterricht wöchentlich besser und strukturierter, auch wenn es immer wieder Situationen gibt, in denen man die Welt nicht ganz versteht. Zum Beispiel verlassen bei einem 1:0 im Hand- oder Netball Match die ersten Spieler das Feld, weil die Teams angeblich unfair sind. Wo ist denn da der Ehrgeiz und die Fairness? Um diese Fragestellung zu verdeutlichen, habe ich mich selbst oft eingewechselt, was tatsächlich insbesondere bei den Älteren sehr gut funktioniert hat.

 

In der Zwischenzeit war ich echt glücklich und zufrieden mit der Struktur in den Sportstunden, doch dann kam die Zeit, in der alle Klassen Prüfungen schrieben. Das pure Chaos hat begonnen! Vormittags bekam ich seit dem keine Klassen mehr, weil alle Prüfungen schrieben und wenn die Schüler mit diesen fertig waren, gingen sie nach Hause. Eine Lehrerin erklärte mir hierzu, dass es ab ca. drei Wochen vor den großen Sommerferien unmöglich sei, die Schüler unter Kontrolle zu bekommen. Also schnappte ich mir, immer wenn es möglich war, Schüler die gerade Zeit und Lust hatten, und spielte mit ihnen Handball, Fußball oder Netball.

 

Vor zwei Wochen machten wir uns dann am Wochenende auf den Weg nach Port Elizabeth und Jeffreys Bay um Tjards (einer unserer Freiwilligen) Geburtsag zu feiern und unsere ersten Surfversuche zu unternehmen. J-Bay, wie es hier genannt wird, ist einer der bekanntesten Surfspots und was soll ich sagen? Ich habe zwar keine Ahnung vom Surfen, aber angeblich waren die Wellen perfekt! Nach einigen holprigen Versuchen gelang es auch mir dann am Schluss, öfter als anfangs gedacht, auf dem Brett zu stehen und ein paar Meter zu „surfen“. Einen Neoprenanzug konnten wir bei den Freiwilligen vor Ort leihen und ein Board kostete uns 6€ für 2,5 Stunden, also wirklich sehr preiswert und nur zu empfehlen! Da in Südafrika noch keine Ferien sind, waren die Strände verhältnismäßig leer, dadurch hatten wir genug Platz um uns auszutoben.

 

Nach dem Wochenende besuchte ich Lauritz's Fußballprojekt an der Ilitha School und entschied kurzerhand ein Match gegen meine Schule zu organisieren. Die Jungs an meiner Schule waren Feuer und Flamme und wollten jeden Tag trainieren. Zum Beispiel haben wir zwei Tage vor dem Match Frieda und Nils bei einem kleinem Sportsday an ihrer Schule unterstützt und als ich um ca. 11Uhr nach Hause kam, wartete das gesamt Fußballteam der Nkosinathi vor meinem Haus, obwohl das Training erst für 12Uhr angesetzt war. Wenn die Jugendlichen so motiviert sind, ist das für den Coach ein unheimliche gutes Gefühl. Als es dann am 22.11. endlich soweit war, war ich sehr aufgeregt und fieberte mit meiner Mannschaft. Nach einigen Diskussion wegen der Fußballschuhe haben dann doch alle, wie vorgesehen, ohne Schuhe gespielt. Es war ein sehr spannendes und knappes Match, bei dem alle mit Herzblut dabei waren. Letztendlich gelang es den Ilitha Soccer Boys in den letzten Minuten ein Tor zu schießen, zumindest wurde es von dem Schiedsrichter so gewertet. War es Abseits? So genau weiß es keiner, aber es war eigentlich auch nicht so wichtig. Am Schluss gab es einen Gewinner und es war ein knappes und weitgehend faires Spiel. Nicht nur in dem Alter muss man eben auch lernen mit Niederlagen umzugehen, auch wenn gewinnen mehr Spaß macht. Nach dem Match konnte ich meine Schüler in den Urlaub entlassen. Erst danach habe ich mit Enttäuschung festgestellt, dass ein Großteil der Spieler aus Grade 7 waren und ich diese nächstes Jahr leider nicht mehr sehen werde.

 

Die Prüfungen vor den großen Sommerferien sind vorbei, aber bis zu den eigentlichen Ferien sind es noch eineinhalb Wochen. Interessiert allerdings irgendwie keinen! Als ich am Montag den Schulhof betrat, konnte ich keinen einzigen Schüler mehr finden. Das heißt....Ferien!!! Am 09.12 startet unser großer Roadtrip mit dem Ziel in Kapstadt. Vorausgesetzt wir haben bis dahin ein Mietwagen. Ich werde berichten! In diesem Sinne eine schöne Adventszeit, frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neues Jahr! Wir haben hier tagsüber Temperaturen von bis zu 40°C! Kaum vorstellbar, dass ihr zu dieser Zeit gerade über die deutschen Weihnachtsmärkte schlendert. Vor dem neuem Jahr werdet ihr von mir wahrscheinlich nichts mehr hören.

 

PS: Den anstrengenden Kampf gegen unsere lieben Blutsauger hat die Berlin-Crew bis auf weiteres gemeistert. Wir sind bereit für den Endgegner! Zudem hat meine Bank den Schaden, der bei dem Raub entstanden ist, erstattet. - Ich bin sehr erleichter!

 

 

Sharp sharp

 

Jan